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Pilgern – eine Reiseempfehlung der besonderen Art

Heute bloggt Prof. Dr. Thomas Münch vom Vorstand des Vringstreffs. Seit 2004 lehrt er “Ver­wal­tung und Orga­ni­sa­tion” an der Hochschule Düs­sel­dorf. Im Spätsommer 2016 ist er von einer Reise in den Himalaya zurückgekehrt. Dort freute er sich sehr über die Begegnung mit einem Pilger (s. Foto).

Die Nähe des Christentums zu denen, die am Rande der Gesellschaft stehen

Für Christen ist die Vorstellung, dass unser Leben nur ein kurze Pilgerfahrt ist, nachvollziehbar: Die Erde – so die Erzählung – ist ein Jammertal, welches wir auf dem Weg zur ewigen Glückseligkeit zu durchschreiten haben. Und folglich wird das Unterwegssein, das Nomadische eben nicht als ontologische Obdachlosigkeit erfahren, sondern vielmehr als eine dem Christenmenschen angemessene Lebensform. Vielleicht rührt daher die Nähe des Christentums zu denen, die am Rande der Gesellschaft stehen: Zu den Exkludierten, den Armen und den Wohnungslosen – um nur Einige zu nennen. Denn die Fragilität und Zufälligkeit der eigenen Existenz wird uns in der Begegnung mit denen am Rande immer sehr deutlich bewusst.

Der japanische Dichter Basho fasste diese fragile Weltsicht in ein berühmtes Gedicht, ein Haiku:

„In den Schauern des Nichts, was ist das Leben, ein Baum am Wege, um unterzustehn“

Pilgern gehört zur Praxis sehr unterschiedlicher Religionen

Und wenn wir das Religiöse mit dem Philosophen Schleiermacher als einen „Geschmack und Sinn für das Unendliche“ verstehen, so ist es nicht verwunderlich, dass Pilgern zur Praxis sehr unterschiedlicher Religionen gehört. Ob Christen, Muslime, Juden, Hindus, Buddhisten – sie alle pilgern und vollziehen im Pilgern eine Lebensreise im Kleinen.

Als Kölnerin und Kölner ist uns dies vertraut; tagtäglich sehen wir den Dom, dessen Dreikönigenschrein ein wichtiges Pilgerziel der Christenheit war und ist. Und auch wenn wir nicht an die Wirkmächtigkeit der Reliquien glauben, so kann der Gang vorbei am Schrein während der jährlichen Wallfahrt auch nicht schaden! Und die Kerze vor der Madonna nebenan zünden wir auch an. Es soll ja helfen, auch wenn man nicht daran glaubt!

Der Versuch, uns die globale menschliche Praxis des Pilgerns näher zu bringen

Das Rautenstrauch-Joest-Museum am Neumarkt unternimmt mit der Ausstellung: „Pilgern – Sehnsucht nach Glück?“ den Versuch, uns diese globale menschliche Praxis nahe zu bringen. Die Ausstellung nimmt uns mit auf eine Weltreise zu so unterschiedlichen Pilgerorten wie Mekka, Jerusalem, Santiago de Compostela, Kerbela, Varanasi, Touba und einige mehr.

Fremde Orte und Praktiken werden sichtbar gemacht durch Bilder, Musik, Gegenstände und Gerüche – immer ergänzt durch kurze, aber kluge Texte. So geraten 2 Stunden im Museum zu einer Weltreise, einer Reise durch verschiedene Religionen und Pilgerorte und am Anfang und am Ende berichten Kölnerinnen und Kölner über ihre Pilgererfahrungen rund um die Welt.

Mit allen Sinnen wird hier Pilgerschaft erfahrbar gemacht und für das Nachdenken dienen thematische Anregungen zu Glaube, Wirtschaft, Logistik, Politik und Ästhetik. Aber auch der Frage, ob das FC-Stadion jetzt ein Pilgerort ist oder nicht, wird nicht ausgewichen.

„Kulturen der Welt“ heißt das Museum im Untertitel und mit dieser „Pilgerschaft“ löst das Rautenstrauch-Joest-Museum seinen Anspruch erneut ein. Es ist eine vergnügliche und anrührende Wanderschaft durch die einzelnen Pilgerorte – ausgestellt in einer Art Messeboxen – und am Ende bedauert man, dass jede Reise enden muss.

Und wenn Sie in dem einen oder anderen Pilgerort im Haus am Neumarkt sich selbst zu Ihrem Leben befragen oder sogar die Lust zu einer wirklichen Pilgerreise verspüren – dann hat sich der Besuch gelohnt!

Die Ausstellung war bis zum 9. April 2017 geöffnet.