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Über Obdachlosigkeit

Im September 2016 bloggte Pater Ambach, seinerzeit Mitglied im Vorstand des Vringstreff e.V., hier über Obdachlosigkeit. Sein Beitrag hat im Laufe der Jahre nichts von seiner Intensität verloren. Pater Ambach ist im April 2022 verstorben, wir werden uns mit Freude und Respekt immer wieder an ihn erinnern.

Für Integration und Teilhabe

Der Vringstreff hat sich die Aufgabe gestellt, gesellschaftlich benachteiligten  Menschen Integration und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

Zum Leben gehören Grundbedürfnisse. Ich möchte wer sein, einen Namen haben und für andere Bedeutung haben. Schlimm, wenn sich einer als Rädchen im Weltgetriebe fühlt oder als Nummer in einer anonymisierten Gesellschaft. Die Folge ist Namenlosigkeit, Bedeutungslosigkeit, Gesichtslosigkeit.

Ich möchte in der Gesellschaft meinen Platz finden, etwas mitgestalten können und meine Fähigkeiten einsetzen. Schlimm, wenn einer sagen muss: Ich komme mir überflüssig vor.

Ich werde nicht gebraucht. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Am Ende steht: Ohnmacht, Machtlosigkeit, Wertlosigkeit.

Ich möchte irgendwo dazugehören, einen Lebensort als meine Heimat bezeichnen können und mich in einem vertrauten Umfeld entfalten können. Schlimm, wenn einer sagen muss: Ich irre zwischen allen möglichen Welten hin und her. Das Ergebnis ist: Entwurzelung, Heimatlosigkeit, Obdachlosigkeit.

In der traurigen Welt der „Losigkeiten“

Wenn wir die Lebensgeschichten der Obdachlosen, die den Vringstreff aufsuchen, vor Augen haben, bekommen wir es  mit der traurigen Welt der „Losigkeiten“ zu tun: Namenlosigkeit, Machtlosigkeit, Heimatlosigkeit… Wir wissen nicht, wie es dazu gekommen ist, was alles dazu beigetragen hat, dass das Leben aus dem Tritt gekommen ist.  Wir können nicht ahnen, mit welchen Verletzungen jemand unterwegs war, was ihn buchstäblich auf die Straße getrieben hat. Von außen gesehen kein schönes Leben.

In ihrer Lebenswelt und ihrer Gestaltung haben obdachlose Menschen offenbar einige Defizite, was de Gestaltung des Miteinander in den verschiedensten Bereichen angeht. Aber mit Störungen leben ist kein unüberwindbares Schicksal, man kann lernen, mit anderen umzugehen, man kann üben, in Gemeinschaft zu leben und aufzubauen. Das ist allerdings gar nicht so selbstverständlich. Zum Kennenlernen der Hilfesuchenden gehört: Warum reagiert er in einer bestimmten Situation gerade so und nicht anders? Welche heimlichen Ängste und Sorgen  stecken dahinter? Wo ist Hilfe gefragt? Wo braucht jemand Verständnis, Einfühlsamkeit, Solidarität. Es gibt Situationen, da kann sich einer nicht selber helfen, da muss er sich eingestehen, dass er Halt braucht. Seine Kraft zum Leben  kommt nicht allein aus eigenen Ressourcen und Kraftquellen. Es braucht Menschen, die Halt geben, Hände reichen, weiterbringen. Es braucht immer wieder Anregung, Ausrichtung, Kurskorrektur und Zuwendung, sonst  kriegt einer nicht die Kurve.

Zusammentreffen mit anderen Menschen aus dem Veedel

Hilfreich für die obdachlosen Besucher des Vringstreffs mag sein, dass sie dort mit Menschen aus dem Viertel zusammentreffen. Der Vringstreff versteht sich daher als Begegnungsstätte.

Allerdings braucht es auch kompetente und professionelle Mitarbeiter, die den Hilfesuchenden weiterhelfen. In einem Hilfeplan wird eruiert, welche Fähigkeiten der Klient hat. Wie können sie verstärkt werden? Bei welchem Schritt befinden sich Helfer und Hilfesuchender? Welche Konsequenzen hat das? Wie können alltägliche Probleme gelöst werden, und warum kann das der Klient nicht? Wie kann ihm das, was ihm fehlt, beschafft werden?

Zuversicht und Hoffnung der Helfenden

Der Betreuer oder die Betreuerin übernimmt durch den Beistand Verantwortung für den Klienten. Aber die Verantwortung ist nicht total. Die Lebensgeschichten der Klienten sind nicht mit einem Schlag rückgängig zu machen. Bei Kontakten mit Obdachlosen läuft nicht alles wie am Schnürchen. Da gibt es Abbrüche und Vermeidungstendenzen, und es gibt Misserfolge. Gut, wenn sich Betreuerin oder Betreuer ein Stück Zuversicht und Hoffnung bewahren.

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